Bewältigung von Übergriffen und Traumatischem Stress in Justizvollzugsanstalten
(BÜTS)
Schulungsinhalte
Da es sich bei den ASP in der Regel um Personen aus dem "Allgemeinen
Vollzugsdienst" handelt, d. h. um Menschen mit wenig psychologischer Vorbildung,
muss in den Schulungen zunächst auf Grundlagen der Stresstheorie (Selye, 1981)
und der Stressbewältigung (Kaluzza, 1996) eingegangen werden. Weiterhin werden
grundlegendes Wissen zur Traumatherapie (Maercker, 1997), zur Therapie akuter
Belastungsstörungen und der Posttraumatischen Belastungsstörung vermittelt.
Besonders hilfreich war dabei der Einsatz von Videomaterial des Autors über die
Betreuung von Katastrophenopfern (Borken: Grubenunglück 1988 [Pieper, 1998],
Ramstein: Flugschaukatastrophe 1988 Jatzko et al., 1995], Herborn:
Tanklastzugunglück 1989, Eschede: ICE-Katastrophe 1998 [Hüls & Oestern, 1999])
und die Behandlung zahlreicher, im Einsatz traumatisierter Feuerwehrleute,
Grubenwehrleute, Polizisten, Rettungssanitäter etc.
Unter Justizvollzugsbediensteten bestehen ebenso wie bei Polizisten und
Feuerwehrleuten oft noch die von den so genannten "Alpha-Männern" (Pieper &
Maercker, 1999) bestimmten Grundansichten über den Umgang mit Traumatisierungen:
"das stecken wir weg", "dafür sind wir da", "das berührt uns nicht", "wir sind
doch keine Weicheier". Emotionale Beteiligung wird geleugnet und dadurch ist
kein adäquater Umgang im Sinne einer Bewältigung möglich. Für die Teilnehmer von
Info-Veranstaltungen über Traumatischen Stress für Entscheidungsträger,
Dienststellenleiter etc. in den JVA's und für die ASP selbst waren Videoaussagen
von Feuerwehrleuten über ihre Traumatisierungen bei Einsätzen und über die
Notwendigkeit psychologischer Aufarbeitung überzeugend und halfen, ein Klima der
Akzeptanz für das Projekt "BÜTS" in den Anstalten zu schaffen.
Ein entscheidender Baustein ist die Vermittlung der Gesprächstechniken des
aktiven Zuhörens bzw. der klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers
(1951). Der eigentliche Kern der Ausbildung besteht im Erlernen der
strukturierten Traumaexploration nach Pieper (2000). In dieser Traumaexploration
wird der belastete Kollege vom ASP zunächst in einer bestimmten, festgelegten
Reihenfolge durch die traumatische Erfahrung geleitet und zu einem
Erkenntnisprozess über die individuelle Traumatisierung geführt. Dann baut er
zwischen sich und dem Erlebten eine emotionale Distanz auf, gelangt auf der
rationalen Ebene zu einer Neubewertung des Ereignisses und versucht eine
Perspektive mit den gemachten Erfahrungen aufzubauen.
Diesen Prozess kann der ASP initiieren und begleiten, indem er sich eng an einen
vorgegebenen Leitfaden mit den folgenden Schritten hält: 1. Bericht über das
Ereignis (Faktenebene), 2. Reaktionen des Betroffenen (Reaktionsebene), 3.
Beobachtete Verhaltensänderungen des Betroffenen (Verhaltensebene), 4.
Selbstbewertung des eigenen Handelns (Bewertungsebene), 5. Perspektivwechsel, 6.
Individuelle Belastung, 7. Planung der Bewältigung der Individuellen Belastung
in verschiedenen Stufen: 7a. alleine bzw. mit familiärer Hilfe, 7b. Hinzuziehen
weiterer Personen aus der JVA, z. B. Abteilungsleiter, Psychologe,
Sozialarbeiter oder Anstaltsleiter, 7c. Vermittlung zu externer professioneller
Hilfe (Ärzte, Psychotherapeuten, Suchtberatung).
Die Gespräche werden in zahlreichen Rollenspielen trainiert, in denen der ASP jeweils
wechselt zwischen der Position des ASP und der des Betroffenen.
Schulungsumfang
Die Grundschulung beträgt 3 mal 2 Tage. Anschließend werden pro Jahr vier
Auffrischungs-, Vertiefungs- und Supervisionstage fortlaufend angeboten. In
diesen werden die in Beratungssituationen aufgetauchten Probleme bearbeitet,
Theorie aufgefrischt und Rollenspiele mit belasteten Kollegen immer wieder
geübt. Auf diese Weise optimiert der ASP seine Gesprächsführung ständig.
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